Lieferengpässe, Antibiotikaresistenzen, Durchbrüche in der Onkologie und teure Innovationen: MSD-Österreich-Chefin Ina Herzer im Interview.
Von Martin Rümmele
Mit bis zu 800 Beschäftigten nach Fertigstellung der Tiermedizinsparte in Krems ist MSD eines der größten Pharmaunternehmen in Österreich. Im Bereich der Humanmedizin ist man zuletzt einen zukunftsträchtigen globalen Deal mit einem Biotechunternehmen aus Österreich eingegangen. Im medianetInterview spricht die Geschäftsführerin von MSD Österreich, Ina Herzer, über die Schwerpunkte und die Rahmenbedingung von Pharmaforschung in Österreich.
medianet: Es wird derzeit viel über Innovationen und die Zukunft der Medizin diskutiert. Wo liegen Ihre Forschungsschwerpunkte aktuell?
Ina Herzer: Wir haben eine lange Tradition in der Forschung und sind immer bestrebt, in unseren Bereichen Durchbrüche in der Medizin zu erreichen. Große Ideen brauchen aber auch große Investitionen – wir geben rund 25 % der Umsätze für Forschung und Entwicklung aus. Damit sind wir sicher weltweit im Spitzenfeld. Derzeit laufen bei MSD rund 1000 Programme weltweit alleine in der Onkologie. Die Immunonkologie bringt uns in eine neue Ära, die neue Chancen für die Patienten eröffnet. Ein weiteres wichtiges Themenfeld sind Impfstoffe, die unter anderem auch wieder mit Krebs zusammenhängen, wenn man etwa an HPV denkt. Ein großer Bereich ist auch Diabetes.
medianet: Wie ist die Basis für Forschung in Österreich?
Herzer: Die Rahmenbedingungen hier sind sehr gut und auch der Wille ist sehr groß. Wir erleben immer wieder von Zentren und Spitälern den Appell, Studien nach Österreich zu bringen und das ist auch ein Hauptanliegen von uns, weil es die Möglichkeit schafft, einen frühen Zugang zu Medikamenten zu be kommen. Global ist MSD zuletzt eine exklusive Lizenzvereinbarung mit dem österreichischen Unternehmen Themis Bioscience in der Impfstoffforschung eingegangen – das ist auch für uns als Niederlassung super. Es zeigt die Strategie, dass Dialogbereitschaft, Vernetzung und Kommunikation wichtig sind, um Forschung voran zu bringen.
medianet: Wie gehen Sie in so einem Fall vor?
Herzer: Die Frage ist auch, wie arbeiten Abteilungen miteinander und wie kann man Wissen und Nutzen generieren? Wenn wir Forschungszentren suchen, geht es einerseits um die Bedingungen am Standort – wo Österreich international sicher konkurrenzfähig ist – und andererseits auch um das Wie: Wie geht man damit innerhalb eines Zentrums um und wie tauscht man sich aus? Wir suchen hier Partner, die gesamthaft denken.
medianet: MSD ist eines der wenigen Unternehmen, das noch an der Entwicklung neuer Antibiotika forscht. Wie sehen Sie die Entwicklung im Hinblick auf Resistenzen und die Rahmenbedingungen für die Forschung?
Herzer: Neben der Immunonkologie und den Impfstoffen ist auch der Bereich Acute Care/Antibiotika ein für uns wichtiger Forschungsbereich. Der wirtschaftliche Beitrag, den neue Produkte liefern können ist hier gering, weil sie meist nur in der Reserve für Notfälle eingesetzt werden, um eben neue Resistenzen zu verhindern. Für uns sind Antibiotika ein wichtiges Thema, nicht zuletzt, weil wir hier eine Tradition haben. Es ist aber so, dass es einen Dualismus gibt zwischen Resistenzen und der Tatsache, dass die Entwicklung ressourcenintensiv ist. Wir überlegen hier Modelle, wie man die Forschung vorantreiben kann. Es braucht auch einen balancierten Ansatz mit vielen Partnern. Die Probleme kann man nur gemeinsam lösen.
medianet: Stichwort Finanzierung: Wie beurteilen Sie die Preisentwicklung in Österreich und wie sehen Sie generell die Zukunft der Vergütung im Pharmabereich?
Herzer: Wenn man generell über die Finanzierung spricht, so ist es wichtig zu verstehen, wie auf wendig Forschung ist und dass hohe Investments stattfinden, jedoch nur wenige Produkte zur Marktreife gelangen. Das Verständnis dafür ist oft nicht aus geprägt. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass Produkte finanzierbar und leistbar sind. Es liegt an allen Playern im Gesundheitswesen sicherzustellen, dass jedem Patienten innovative Produkte zur Verfügung gestellt werden können. Wir haben in Österreich ein System, bei dem durch den Lebenszyklus und die Preisstufen immer wieder Ressourcen frei werden, um neue Medikamente zu finanzieren. Wir haben ein großes Interesse daran, an Preismodellen mitzuarbeiten, die 1. die Forschung dahinter würdigt und 2. den Patientenzugang ermöglicht.
medianet: Zuletzt wurden die tiefen Preise auch als Grund für das wachsende Problem der Lieferengpässe genannt.
Herzer: Man muss, wie gesagt, versuchen, adäquate Preise zu finden. Wenn man das Preissystem über Ländergrenzen hinweg betrachtet, resultieren daraus Dynamiken, mit denen man umgehen muss. Wir müssen uns in Österreich darauf fokussieren, dass wir die Medikamentenversorgung am Markt sicherstellen. Die Nichtverfügbarkeit von Produkten ist keine gute Botschaft, die wir senden wollen.
medianet: Stichwort Impfstoffe: Wie sehen Sie die Debatte über Impfpflicht und Erhöhung der Impfquoten?
Herzer: Das ist in jedem Land eine riesige Debatte. Es gibt überall Gegner und Gruppen, die sich auf Nebenwirkungen fokus sieren. Uns ist es ein Anliegen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Man sollte sich aber auch Modelle in anderen Ländern ansehen: In Australien werden sehr konsequent Schulimpfprogramme vorangetrieben. Wenn man das gut macht und informiert, sieht man sehr eindrucksvoll Verbesserungen bei den Impfquoten. Man sollte aber auch die Vorbe halte der Menschen verstehen und dann auch über den gesun den Menschenverstand versu chen, über fundierte Fakten zu informieren. Ich bin aber gegen jegliche Art von Vorschrift – das kann nie funktionieren. Impfauf klärung beinhaltet einen Dialog mit Patienten, Betroffenen und Eltern.
Österreich
Seit 1971 ist MSD mit einer Nie- derlassung in Österreich vertreten. Insgesamt hat das Unternehmen heute rund 800 Beschäftigte in Ös- terreich - zum einen in der Human- medizin mit Standort in Wien, zum anderen auch in der Tiermedizin mit den Unternehmen Intervet GesmbH in Wien-Floridsdorf und MSD Animal Health Danube Biotech GmbH in Krems. Derzeit investiert das Unternehmen 400 Mio. € in den Ausbau der Niederlassungen in Österreich.
Global
Rund 42 Mrd. USD Jahresumsatz erzielte MSD im Jahr 2018 weltweit mit 69.000 Beschäftigten in über 140 Ländern. 10 Mrd. USD fließen jedes Jahr in Forschung und Entwicklung. Damit gehört der Konzern zu den größten forschen- den Unternehmen der Welt. MSD ist nach eigenen Angaben Vorreiter in der Immunonkologie und bei der Entwicklung von Impfstoffen. Der Konzern entwickelte unter anderem den ersten zugelassenen Impfstoff gegen Ebola.
"Dialogbereitschaft, Vernetzung und Kommunikation sind wichtig, um Forschung voran zu bringen."
Ina Herzer
MSD-Österreich
Für Rückfragen:
Alexandra Kunsch, MSc
Corporate Communication Lead
MSD Ges.m.b.H, ARES TOWER, Donau-City-Straße 11, A-1220 Wien
Tel.: +43 664 5236905
E-Mail: alexandra.kunsch@merck.com
Web: www.msd.at
Wien, Februar 2020 AT-NON-00386